Sie haben in einem Projekt den
zunehmenden Einsatz von Leiharbeit im
verarbeitenden Gewerbe erforscht. Welche
Ziele haben Sie damit verfolgt?
In unserer Studie
»Flex4Work« geht es um die
Flexibilisierungsmöglichkeiten von
Unternehmen, die sich auf dem Binnen-
und Weltmarkt durch ein hohes Maß an
Anpassungsfähigkeit behaupten müssen. Zu
diesem Zweck greifen sie auch auf das
Instrument der Zeitarbeit zurück. Wir
wollten wissen, welche Motive
Unternehmen haben, Zeitarbeitnehmer
einzusetzen, welchen Bedarf an
Zeitarbeit sie haben und wie sich diese
Beschäftigungsform auf die Arbeitnehmer
auswirkt, wo Konfliktfelder sind und wie
es mit der Belastung von
Zeitarbeitnehmern aussieht. Wir haben
Befragungen und Fallanalysen in
verschiedenen Unternehmen, vor allem im
Bereich des produzierenden Gewerbes
durchgeführt. Jetzt bringen wir die
Ergebnisse in die öffentliche
Diskussion.
Welche Probleme und Belastungen
ergeben sich aus Leiharbeit für die
Arbeitnehmer?
Die Arbeitnehmer haben eine
Vollzeitbeschäftigung bei
einem Personaldienstleister, werden von
diesem aber immer wieder für
unterschiedlich lange Zeiträume an ein
Unternehmen überlassen. Daraus
resultiert eine psychologisch schwierige
Dreiecksbeziehung, die sich zum Beispiel
auf die Bindung auswirkt. Die Bindung an
das Kundenunternehmen, in dem
Zeitarbeitnehmer arbeiten, ist geringer
als bei der Stammbelegschaft.
Zeitarbeitnehmer sind auch weniger an
den Personaldienstleister gebunden, mit
dem sie einen Arbeitsvertrag haben.
Häufiger Arbeitsplatzwechsel kann zur
Belastung werden. Vor allem für gering
Qualifizierte, die aus der
Arbeitslosigkeit kommen, bedeutet er
Unsicherheit. Viele hoffen auf
Übernahme durch den Entleiher und
vergleichen sich mit der
Stammbelegschaft. Diese Hoffnung aber
erfüllt sich in der Mehrzahl der Fälle
nicht; übernommen werden nach meiner
Einschätzung nur etwa sieben bis 15
Prozent der Zeitarbeitnehmer. Aber
Achtung: Zeitarbeit kann sehr
unterschiedlich ausfallen und bewertet
werden. Es gibt auch viele Arbeitnehmer,
die sie für sich sehr positiv bewerten.
Was bedeutet es, „Diener zweier
Herren“ zu sein?
Das Dreiecksverhältnis
Personaldienstleister-Kundenunternehmen-Arbeitnehmer
ist das Kernproblem. Es ist viel
schwieriger, etwas transparent
auszuhandeln. Arbeitnehmer erleben es
so, dass „die da oben“ über sie
verhandeln und sie selbst gar keinen
Einfluss darauf haben. Für die Zahlung
der neuen
Branchenzuschläge muss ja
beispielsweise nun die Einstufung neu
ausgehandelt werden, das kann zu
Differenzen führen. Schwierig ist auch,
dass nicht der Personaldienstleister,
sondern der Chef des Kundenunternehmens
das Weisungsrecht hat. Zeitarbeit ist in
vielen Fällen einfache Tätigkeit, die
ganz generell mit Status- und
Kontrolldefiziten verbunden ist. Viele
gering qualifizierte Zeitarbeitnehmer
fühlen sich als Arbeitnehmer zweiter
Klasse, die keinerlei Verhandlungsmacht
besitzen.
Sind Leiharbeitnehmer häufiger
krank als fest Angestellte?
Eher im Gegenteil - Zeitarbeiter melden
sich weniger krank als andere, sie
wollen Präsenz zeigen, einen guten
Eindruck machen, um übernommen zu
werden. Wenn es dann mit der Übernahme
trotzdem nicht klappt, tritt oft
Resignation ein.
Unterscheidet sich die
Einstellung zur Arbeit?
Es gibt oft anfangs ein übermäßig
starkes Engagement, ein "Over-Commitment“,
dann eine Phase, in der die Hoffnung
verloren geht, bis sich eine Art Mitte
einspielt. Auch die unterschiedliche
Bezahlung beeinflusst die Einstellung
zur Arbeit. Stammarbeiter haben ja oft
in der Vergangenheit Zulagen erworben,
die Zeitarbeiter nicht bekommen. Die
Branchenzuschläge jetzt bringen
vermutlich einen gewaltigen Unterschied,
aber im Detail ist „equal pay for equal
work“ oft schwer umzusetzen. Da kann
Unterstützung wichtig sein. Die Frage
ist, wie es nun weiter geht – werden
Unternehmen die Zeitarbeiter nicht mehr
so lange einstellen, oder nur noch die
besten, werden sie Leute einsparen, auf
Aufträge verzichten? Auf Werkverträge
ausweichen? Arbeitsplätze durch
Maschinen wegrationalisieren? Die
Palette der Möglichkeiten ist breit.
Was sollten Unternehmen Ihrer
Meinung nach tun?
Sie sollten ihr Geschäftsmodell
überprüfen und sich fragen, welche Art
von Flexibilisierung sie brauchen und ob
Zeitarbeit erforderlich ist. Variable
Auftragslagen kann man auch mit
traditionellem Arbeitszeitmanagement wie
Überstunden, zusätzliche Schichten und
Langzeitkonten bewältigen, darauf hat
die IG BCE ja mehrfach hingewiesen.
Unternehmen könnten auch prüfen, ob sie
Aufträge verschieben können. Sie könnten
Partnerschaften mit anderen Unternehmen
bilden und dann wie in einem
Arbeitgeberzusammenschluss Arbeitnehmer
an andere abgeben, wenn sie sie selbst
nicht brauchen. Solche Poolbildungen
gibt es ja auch innerhalb von
Unternehmen. Denkbar wären strategische
Partnerschaften mit
Personaldienstleistern, um mehr
Sicherheit und Konstanz zu bekommen, so
dass Arbeitnehmer vielleicht in zwei
oder drei, aber nicht in 15
verschiedenen Unternehmen eingesetzt
werden. Einen generellen Verzicht auf
Zeitarbeit halte ich nicht für
wahrscheinlich, weil einzelne Firmen
immer wieder mit erheblichen
Auftragsschwankungen rechnen müssen.
Dabei geht es nicht um Kostensenkung,
sondern um Flexibilität.